Informationen über ein Kunstwerk haben keinen Einfluss auf das ästhetische Erlebnis der Museumsbesucher. Die Eigenschaften des Kunstwerks selbst haben eine viel stärkere Wirkung auf den Betrachter. Zu diesem Schluss kommen Psychologen der Universität Basel in einer neuen Studie.
Ästhetische Erfahrungen beinh alten ein komplexes Zusammenspiel von Wahrnehmungsweisen und kognitiven Prozessen: Die Eigenschaften der Kunstwerke wie Farbgebung und dargestellte Inh alte spielen eine Rolle, ebenso wie die individuellen Eigenschaften des Betrachters, sein Wissen und Kontextfaktoren wie der Titel eines Kunstwerks.
Wissenschaftler der Universität Basel um die Psychologen Professor Jens Gaab und Professor Klaus Opwis haben untersucht, inwieweit die Kontextinformationen eines Kunstwerks das ästhetische Erleben in einer realen Ausstellungssituation beeinflussen. Dabei ging es insbesondere um die Frage, ob und wie verschiedene Informationen das ästhetische Erleben von Museumsbesuchern beeinflussen.
Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass Kontextinformationen die Wahrnehmung und Erfahrung erheblich beeinflussen können - zum Beispiel schmeckt Wein den Verbrauchern besser, wenn der Preis höher ist.
Studieren unter realen Bedingungen
Für die vorliegende Studie besuchten 75 Teilnehmer die Ausstellung Future Present im Schaulager Museum in Münchenstein und betrachteten sechs Gemälde verschiedener Künstler aus der Zeit des flämischen Expressionismus. Sie wurden nach dem Zufallsprinzip einer von zwei Gruppen zugeteilt und erhielten entweder einfache beschreibende Informationen zu den Gemälden oder ausführliche, vertiefende Informationen, wie beispielsweise eine Interpretation des Werks.
Die Teilnehmer bewerteten die Intensität ihres ästhetischen Erlebens in einem Fragebogen. Die Forscher maßen auch die Emotionen, die beim Betrachten der Kunst auftraten, indem sie psychophysiologische Daten wie Herzfrequenz und Hautleitwert verwendeten.
Die Forscher erwarteten, dass die detaillierten Beschreibungen eine stärkere Wirkung auf die kognitiven Prozesse und das ästhetische Erleben haben würden als die einfachen Informationen.
Kunstwerke beeinflussen die Herzfrequenz
Die Ergebnisse zeigten jedoch, dass weder die einfachen noch die detaillierten Informationen das ästhetische Erlebnis beeinflussten. Es gab keine Hinweise auf Unterschiede zwischen den beiden Gruppen, weder durch die subjektive Bewertung noch durch die körperlichen Reaktionen.
Die Eigenschaften der Kunstwerke selbst beeinflussten jedoch das ästhetische Erlebnis. Die körperlichen Reaktionen waren stärker als vor Beginn der Kunstbetrachtung und unterschieden sich je nach Bild deutlich. Das ästhetisch erlebbarste Kunstwerk war James Ensors Les masques intrigués von 1930. „Ensors Kunstwerke wirken meist skurril oder absurd; diese besondere Ausdrucksweise mag die Betrachter zu extremeren Bewertungen verleitet haben“, erklärt Lead Autorin Luisa Krauss.
Die in der Zeitschrift Psychology of Aesthetics, Creativity, and the Arts erschienene Studie relativiert damit die Bedeutung begleitender Informationen und unterstreicht auch, wie der Kontext des Museums das ästhetische Erleben beeinflusst. „Museumsbesucher brauchen nicht unbedingt Informationen, um sich nach dem Besuch einer Ausstellung zufrieden zu fühlen. Die Kunst kann für sich sprechen“, fasst Professor Jens Gaab zusammen.