Ein neuartiges Medikament namens "FerriIridium" kann gleichzeitig bei der Diagnose und Behandlung von Magenkrebs helfen. Die zunächst schwach aktive Vorstufe (Prodrug), basierend auf einer Iridium-h altigen Verbindung, wird erst nach Erreichen des Inneren einer Tumorzelle selektiv aktiviert. Möglich wird dies durch den dort vorhandenen höheren Eisengeh alt, berichten Wissenschaftler in der Zeitschrift Angewandte Chemie. Selektive Aktivierung reduziert unerwünschte Nebenwirkungen.
Zellen transportieren Substanzen von ihrem Äußeren in ihr Inneres, indem sie kleine Bereiche ihrer Membran einf alten und dann abbinden (Endozytose). So gelangt FerriIridium in die Zielzellen. Die resultierenden Vesikel verschmelzen dann mit Lysosomen. Diese Zellorganellen haben ein saures Milieu, das dreiwertige Eisenionen, Fe(III) und Enzyme enthält, mit denen sie nicht mehr benötigte Zellbestandteile abbauen. In Magenkrebszellen ist die Fe(III)-Konzentration innerhalb der Lysosomen signifikant erhöht.
Wissenschaftler, die mit Yu Chen und Hui Chao an der Sun Yat-Sen University, Guangzhou, und der Hunan University of Science and Technology, Xiangtan (China), zusammenarbeiten, nutzten diese Funktion. Sie statteten FerriIridium mit einer speziellen funktionellen Gruppe (der m-Iminocatechol-Gruppe) aus, die selektiv an Fe(III) bindet. Nach der Bindung wird die funktionelle Gruppe oxidiert, während die Eisenionen zu Fe(II) reduziert werden. Unter den sauren Bedingungen innerhalb der Lysosomen wird das FerriIridium dann in zwei Komponenten gesp alten: einen Iridium-Komplex und ein Benzochinon-Derivat.
Dieser Reaktionsmechanismus hat eine dreifache Wirkung. Erstens können Fe(II)-Ionen eine Reaktion katalysieren, die hochreaktive Hydroxylradikale erzeugt. Zweitens sind Benzochinone stark oxidierend. Mit bestimmten Zellsubstanzen wie NADPH bilden sie Hydroxychinone, die mit Sauerstoff zu radikalen Sauerstoffspezies reagieren, sowie Wasserstoffperoxid, das wiederum mit Fe(II) zu Hydroxylradikalen reagieren kann. Benzochinonverbindungen können auch die Zellatmung stören. Die Radikale zerstören die Lysosomen und setzen ihren Inh alt frei. Drittens erhöht die Sp altung von FerriIridium sowohl die Phosphoreszenz als auch die Toxizität des Iridiumkomplexes drastisch. Die Phosphoreszenz kann zur Diagnose des Tumors verwendet werden. Vor allem aber wird der giftige Iridium-Komplex von den Mitochondrien, den „Zellkraftwerken“, aufgenommen. Es zerstört sie von innen heraus, indem es ihr Membranpotential zum Einsturz bringt. Zusammen führen diese Effekte zum Absterben der Magenkrebszellen und zum Schrumpfen der Tumore, wie Experimente an Zelllinien und Mäusen gezeigt haben.